DBEM 2024: 51. Deutsche Meisterschaft im Blitzschach in Weissenhorn – Abschlußbericht und Fotos

Von Karlheinz Vogel, Presse – und Öffentlichkeitsarbeit im Schachverband Württemberg:

Im Gasthof und Landhotel Neumaiers Hirsch in Weißenhorn finden die 51. Deutschen Meisterschaften im Blitzschach statt. Verantwortet wird Veranstaltung vom Deutschen Schachbund. Die Ausrichtung ist eine Koproduktion aus Baden, Bayern und Württemberg. Schirmherr ist Bürgermeister Dr. Wolfgang Fendt.

Um zunächst ein paar Namen zu nennen der Bundesturnierdirektor Michael Rütten vertritt die badischen Farben, Bernhard Jehle feiert mit dieser Veranstaltung das 50-jährige Bestehen „seines Vereins“ SV Jedesheim (siehe auch Augsburger Allgemeine vom 18.09.), wohnt also auf der bayerischen Seite der Iller. Andererseits ist die Abteilung Schach des SV Jedesheim seit 1982 im württembergischen Spielbetrieb unterwegs. Eine Institution sind Nadja (u.a. Frauenreferentin des DSB, aber noch viel mehr!) und GM Artur Jussupow, eine Legende, d.h., wenn man da versucht seine Erfolge aufzuzählen, vergisst man bestimmt etwas – einfach weil es so viele sind.

In die Turnierleitung teilen sich Nadja Jussupow (Frauen) und Michael Rütten (Männer), als Schiedsrichter fungieren Bernhard Jehle (Frauen) und Amaru Juscamayta (Männer).

Die Ergebniserfassung liegt in den bewährten Händen von Martin Zebandt (SC Weiler i.A.), für die Live-Übertragung zeichnet Karl Herzig (Württ. Schachjugend) verantwortlich, das Streaming hat Kevin Pieczka (SV Jedesheim) eingerichtet und als Co-Kommentatoren fungieren die erst zwölfjährigen Zwillinge Artem und Maksym Kelembet aus der Nähe von Kiew, die seit zwei Jahren für Jedesheim spielen und durch hervorragendes Deutsch und kompetente Kommentare beeindrucken – alle Achtung!

Die Kommentare wurden live auf SchachdeutschlandTV gestreamt und der ganze Beitrag – mehr als sieben Stunden – kann hier angesehen werden.

Der Spielmodus sieht so aus: bei den Frauen bleibt WGM Kateryna Dolzhykova immer an Brett eins, so dass alle ihre Partien live übertragen werden. Bei den Männern sind die Favoriten, also die GMs Alexander Donchenko und Roven Vogel, fix an den Brettern eins und zwei gesetzt. Alle anderen Spieler bekommen einen Plan an die Hand in welcher Runde sie gegen wen an welchem Brett und mit welcher Farbe sie spielen und das jeweilige Ergebnis sollte für Kontrollzwecke notiert werden. Spoileralarm: es wird nur eine handelsübliche Zahl an irregulären Zügen, aber keinen Streit geben.

Sieger Frauen, v.l.: Steffi Arnhold 2., WCM Margarita Novikova 1. und WGM Kateryna Dolzhikova 3.Da bei den Frauen nur 22 Teilnehmerinnen sind, ist das Turnier für sie nach 21 Runden beendet. Klare Siegerin wird die Setzlistenzweite WCM Margarita Novikova (Bad Mergentheim) mit 17,5 Punkten vor Steffi Arnhold (Regensburg) und WGM Kateryna Dolzhykova (Oberursel). Beide kommen auf 16 Punkte, aber nach Sonneborn-Berger stehen 1,25 Wertungspunkte mehr für Steffi Arnhold zu Buche. Platz 4 geht an Anne Lukas (Gernsheim) 15 Punkte. Mit 13,5 Punkten bei besserer Feinwertung erreicht Ana Maria Bursan (Ertingen) Platz 5 und damit den letzten Platz im Geld.

Hier der Verweis auf die Kreuztabelle der Frauen bei Chess-Results.Sieger offene Kategorie, v.l.: GM Roven Vogel 2., GM Alexander Donchenko 1. und 3. IM Ilja Schneider

Bei den Männern entwickelt sich ein Kopf-an-Kopf-Duell der GMs Alexander Donchenko und Roven Vogel. Zu Beginn konnte sich Roven Vogel mit einem Punkt Vorsprung absetzen, irgendwann war es nur noch ein halber Punkt. Zumeist gewinnen sie im Gleichtakt, gegen Ende verlieren beide auch in der gleichen Runde. So kommentierte GM Jussupow die Niederlage Donchenkos im Livestream und wechselt dann mit der Frage, ob Vogel diese Chance zum Absetzen nutzen kann, auf dessen Stellung, die aber zu diesem Zeitpunkt chancenlos ist. Da das Frauenturnier nach 21 Runden zu Ende ist, spielen die Bretter vier bis sechs in den letzten acht Runden an den ehemaligen Livebrettern der Frauen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Top-6 Bretter live übertragen werden. In der Vorschlussrunde war Vogels Vorsprung aufgebraucht. So kommt es in der letzten Runde zum Finale Vogel – Donchenko. Wie bei einer Armageddonpartie muss Weiß gewinnen, weil er die schlechtere Wertung hat. Chapeau, wenn das so geplant war! Die Nachfrage beim Bundesturnierdirektor ergibt, dass das so gepaart wurde, dass die Führenden der Setzrangliste erst in der letzten Runde gegen einander spielen, um möglichst lange die Spannung aufrecht zu erhalten. Damit gewinnt Donchenko (Baden-Baden) vor Vogel (Dresden) und mit seinem Schlussrundensieg sicherte sich Blitzspezialist IM Ilja Schneider (Berlin) mit einem halben Punkt Vorsprung Platz drei.

Hier der Endstand der offenen Kategorie

Hier der Link zu den Bildern auf der offiziellen Turnierseite sowie zum Abschlussbericht beim Schachbund.

Weil alles ein wenig länger dauert als geplant, findet die Siegerehrung während des Abendessens statt. Zuerst gibt es Medaillen und Pokale für die Frauen: Die Ehrung für Ana-Maria Bursan (Platz 5) wurde vorgezogen, was auch an den Bildern zu erkennen ist. Alleinige Vierte wird Anne Lukas mit 15 Punkten, auf den Podestplätzen folgen WGM Kateryna Dolzhikova (Oberursel) 16 Punkte und etwas schlechterer Wertung auf Platz drei, Steffi Arnhold (Regensburg) – ebenfalls 16 Punkte – und obwohl an zwei gesetzt, ist es eine faustdicke Überraschung, dass WCM Margarita Novikova (Bad Mergentheim) das Turnier mit 1,5 Punkten Vorsprung gewinnt!

Da der fünftplatzierte Martin Heider (Worms) schon abgereist ist, startet die Siegerehrung der Männer mit Platz vier – der geht an Thilo Ehmann (Kuppenheim). Die Ehrung der Pokalplätze verzögert sich auf Grund zweier Dopingkontrollen.Platz 3 geht mit 21,5 Punkten an IM Ilja Schneider (Berlin). Dann klafft eine Lücke von drei(!) Punkten, die zeigt wie, sehr GM Roven Vogel (Dresden) 24,5 Punkte, Platz 2 und Sieger Alexander Donchenko 25,5 Punkte (Baden-Baden) das Turnier dominieren und so nachträglich deren feste Zuordnung an den Livebrettern rechtfertigen.

Die Zeit der Dopingkontrolle überbrückt Michael Rütten, indem er an Matthias Blübaum, den Seriensieger der letzten Jahre erinnert, dem er – da vorqualifiziert – möglichst lange die Türe zur Teilnahme offen halten wollte. Als dann im Lauf der Woche schweren Herzens Blübaums Absage eintrudelte, hatte der Bundesturnierdirektor kaum Zeit sich zu ärgern, denn schon ein paar Minuten später fragte Alexander Donchenko an, ob er an Stelle von Matthias dessen Platz übernehmen dürfe.

Als es zur Siegerehrung von Platz drei kommt fragt Ilja Schneider, ob er ein paar persönliche Worte sagen dürfe. Und so erzählte er, wie er in sommerlicher Hitze im Jahr 2020 oder 2021 zum Blitzturnier nach Magdeburg kam – ohne an weiteren Veranstaltungen des Schachgipfels teilzunehmen, also in kurzen Hosen, lässigem T-Shirt und völlig überrascht, dass er ins Geld kam und sich erinnerte, wie charmant der schmerzlich vermisste Gregor Johann diesen Fauxpas überging und dass er heuer in Hemd und Hosen gekommen sei.

Noch ein paar Anmerkungen zu bzw. Eindrücke von den Turnieren, zunächst zum Frauenturnier

  • die Siegerin Novikova gewinnt 56 Wertungspunkte hinzu, dabei hätte sie sich bereits gefreut, sobald sie 2100er Marke überschreitet – mit einer ELO-Performance über 2200 liegt sie jetzt deutlich darüber. Übrigens hatte sie die Idee für ein gemeinsames Siegerfoto mit Alexander Donchenko
  • betrachtet man die größten Gewinne und Verluste schneidet auch Steffi Arnhold sehr gut ab, allerdings nähert sie sich mit ihrer Blitz-ELO ihrer Bewertung im Langschach an. Platz 3 dürfte für WGM Dolzhikova eine Enttäuschung sein. Mit 15 Punkten alleinige Vierte wird Anne Lukas. Von Startrang 14 auf Platz 5, total 13,5 Punkte erreicht und 266 (!!!) Wertungspunkte gewonnen – okay das geht wohl nur mit dem „richtigen“ K-Faktor – das schaffte Ana Maria Bursan (Ertingen). In der Livekommentierung hatte sie Dolzhikova total überspielt. „Engi“ sagt zur Schlussstellung mit zwei Mehrbauern immer noch +4, aber bei beiderseits nur noch Sekunden auf der Uhr wird es Remis durch Zugwiederholung. Artur Jussupow testet den Siegeswillen der Besucher im Kommentatorenraum „wer würde sich trauen eine solche Stellung gegen Carlsen weiter spielen?“
  • bei den weiteren Spielerinnen werden nur noch die „Ausreißer“ erwähnt: einen gebrauchten Tag erwischte Jana Badorz und ungefähr die gleiche Menge an Punkten wird Susanna Margaryan gerne nach Elmshorn tragen. Auch die nächsten beiden Spielerinnen scheinen ihren jeweiligen Verlust und Gewinn nur getauscht zu haben, aber Dank des K-Faktors kann Sofiia Sokyrko in etwa das Doppelte dessen mitnehmen, was Beate Pfau liegen lässt. Auch zufrieden sein wird die nominell klar schwächste Spielerin: sie schaffte immerhin drei Siege und konnte so zwei Spielerinnen hinter sich lassen.

Offene Kategorie

  • Bei den Männern gewannen die Top 3 jeweils um die 30 Punkte dazu, FM Thilo Ehmann (Kuppenheim) erhöhte als Vierter auf 35, Martin Heider (Worms) büßte geringfügig ein

  • Erster Ausreißer ist FM Benedikt Dauner (Untergrombach) auf Platz 6, der fast 80 Punkte ins Badische tragen „muss“

  • die Plätze 7 bis 9 mit 18,5-17,5 Punkte gehen an drei Spieler aus Bayern: namentlich IM Leo Costa (jetzt Hamburg!), FM Vadim Lavrinenkov (Augsburg) und Markus Albert (Bindlach), die im Rahmen ihres Erwartungswerts spielten. Das machten viele so.

  • Nächster Ausreißer ist Timur Kocharin, der ganz enttäuscht meinte „nur +1“, aber, dass das ein Plus von mehr als 50 Punkten ausmachen würde, wird er zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf dem Radar gehabt haben

  • FM Samuel Weber bringt seine Blitz-ELO 80 Punkte näher an seine DWZ

  • Erwischt hat es mit GM Kunin, den Aufsteiger ins diesjährige Mastersturnier, der um die 50 Punkte vermissen wird.

  • Die Lokalmatadoren landen überwiegend auf den hinteren Plätzen, aber auch da gab es kleinere Erfolge zu vermelden: so gelang es dem amtierenden Baden-Württembergischen Seniorenblitzmeister, FM Namyslo, die rote Laterne abzugeben und ein paar Punkte mitzunehmen. Dementsprechend gab FM Junesch fast alle Punkte, die er zuvor beim Qualifikationsturnier gewonnen hatte, wieder ab und landete, gemeinsam mit Patrick Bossinger, dem Trainer der Zwillinge Artem und Maksym, bei 7 Punkten und damit am Ende der Tabelle.

  • Foto Galerie SV Jedesheim:

    « 2 von 2 »

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert