WEM 1999: Frank Zeller – alter und neuer Meister
Schach-Meisterschaften in der Illertisser Schranne
Illertissen (ex). Der Schachabteilung des SV Jedesheim ist es erneut gelungen, die besten Spieler Württembergs in die Vöhlinstadt zu holen: von Freitag, 28. August bis Sonntag, 05. September, werden in der historischen Schranne die Württembergischen Schachmeisterschaften ausgetragen.
Unter den 24 Spielern sind auch zwei Lokalmatadore vertreten: Uli Römer, der fünf Jahre für Jedesheim spielte und jetzt bei Post-SV Ulm aktiv, ist amtierender württembergischer Blitzschach-Meister sowie Reimund Lutzenberger, Spitzenspieler beim SV Jedesheim.
Einer der Höhepunkte der neuntägigen Veranstaltung ist ein offenes Blitzturnier am Freitag, 3. September ab 19.30 Uhr. Beim Blitzschach stehen jedem Spieler nur fünf Minuten Bedenkzeit für die Partie zur Verfügung. Am Samstag, 04. September wartet dann ein besonderer Leckerbissen auf die Freunde des königlichen Spiels: beim Sparkassen-Simultan tritt ab 17.00 Uhr Schachgroßmeister Vlastimil Hort aus Köln-Porz gegen 30 Gegner an.
Neben dem Spitzenschach an jedem Nachmittag kommt aber auch das Breitenschach nicht zu kurz. Die Schachabteilung des SV Jedesheim bietet für Jugendliche und Erwachsene einen Schach-Schnupperkurs an. Hier können Anfänger die Grundregeln des Schachspiels erlernen, fortgeschrittene Spieler erhalten Tipps und Tricks um ihre Spielstärke zu steigern. Der Kurs wird von Montag, 30. August bis Freitag, 03. September, jeweils ab 18.00 Uhr abgehalten und ist kostenlos. Desweiteren werden Schachfiguren und Schachbücher ausgestellt. Der Schachinteressierte findet allerlei Wissenswerte rund um das Spiel der 64 Felder.
(Vorankündigung Illertisser Zeitung am 26. August 1999)
Matthias Holzhäuer führt bei Schachmeisterschaften
Über einen guten Verlauf freuen sich die Verantwortlichen der württembergischen Schachmeisterschaften 1999 in der Illertisser Schranne. Nach interessanten Partien mit einer Spieldauer von bis zu sieben Stunden steht Matthias Holzhäuer aus Schmiden/Cannstadt bei der Zwischenbilanz nach vier Runden an der Spitze des Feldes. Das Turnier ist weiterhin völlig offen. Zehn Spielern bietet sich noch die Möglichkeit, am Ende ganz oben auf dem Podest zu stehen. Die gestrige letzte Partie zwischen dem Jedesheimer Reimund Lutzenberger und Wolfgang Melcher aus Kirchheim war die bisher spannendste. Bei dieser Auseinandersetzung von mehr als sechs Stunden stand bis zuletzt nicht fest, wer als Sieger vom Brett hervorgehen würde. Am Ende gab es dann ein Unentschieden.
Der Illertisser Ulrich Römer, welcher für Post-SV Ulm an den Start geht, spielte gegen der besten Turnierspieler, Igor Berezovsky aus Stuttgart. Dieser hatte seine Zeit falsch eingeschätzt und verlor am Ende das Spiel wegen Zeitlimitüberschreitung. Dadurch verpasste er den Sprung an die Spitze. Die Meisterschaft wird täglich fortgesetzt und dauert noch bis Sonntag, 05. September.
(Text/Bild: Benny Kohler, Illertisser Zeitung am 27.08.1999)
Bellenberger besiegt Großmeister
Simultan-Schach: Hans-Michael Stiepan (19) gewinnt gegen Vlastimil Hort Partie
Illertissen(kr). Der Bellenberger Hans-Michael Stiepan (19) ist es bei einem Schach-Simultanturnier als einzigem von 28 Spielern gelungen, den Weltranglistenspieler und Großmeister Vlastimil Hort zu besiegen. Das Turnier gehörte dem Rahmenprogramm der Württembergischen Schach-Einzelmeisterschaften, die der SV Jedesheim in der Illertisser Schranne durchführte und die gestern zu Ende ging.
Der Besuch des in der Tschechoslowakei geborenen Vlastimil Hort war in der Tat das, was die Verantwortlichen vom SV Jedesheim angekündigt hatten: ein Leckerbissen. Hort, der aus über 70 internationalen Turnieren als Sieger hervorging, wurde seinem Ruf als Simultan-Spezialist mehr als gerecht. Beim Simultan-Schach tritt ein Spieler – Vlastimil Hort – gegen eine Reihe Spieler gleichzeitig (simultan) an. In der Schranne wollten es sich 28 Kenner und Könner des königlichen Spiels nicht entgehen lassen, mit einem Profi die Kräfte zu messen.
Zunächst wanderte der Großmeister recht zügig von Brett zu Brett, recht häufig seinen eigenen und den Zug seines Gegenübers kommentierend.
Zirka 1300 Züge
Außer dem Geist war dabei auch der Körper gefordert: In den mehr als vier Stunden, die das Turnier dauerte, machte Hort zirka 1300 Züge. Ausgehend von durchschnittlich 40 Zügen pro Partie mußte er folglich 40 Mal seine Runde drehen. Allmählich wird aber auch eine Koryphäe wie Hort langsamer – einige der Teilnehmer zwangen ihn dazu, sich eingehender mit der Figuren-Konstellation auf ihren Bretter zu beschäftigen. Über welch phänomenale Gaben aber ein Klassemann wie Hort verfügt, wurde deutlich, als einem seiner 28 Gegner ein Versehen unterlief. Als der Großmeister vor dem Mann Station machte, stellte er mit dem ersten Blick fest, dass auf dem Schachbrett seit seinem letzten Besuch etwas nicht stimmte: Der Spieler hatte statt einem zwei „Steine“ verrückt, was Hort zu der Bitte veranlasste, den zweiten Zug doch bitteschön zurückzunehmen.
Geschlaucht
Auch nach Abschluss des Wettkampfs wusste ein sichtlich geschlauchter Berufsspieler ganz genau, welcher seiner Gegner wann und wo einen besonders schlechten oder einen besonders guten Zug gemacht hatte. Angesichts dieser Fähigkeiten erscheint es durchaus glaubhaft, wenn der vielfache tschechische und deutsche Meister versichert, dass er auch nach einem Monat noch jede einzelne Partie eines Simultan-Turniers exakt nachspielen könne. Dass das königliche Spiel auch eine Menge mit Psychologie zu tun hat, erwies sich im Fall von Hans-Michael Stiepan. Der Bellenberger, der für den SV Jedesheim spielt, hatte Hort gehörig in die Bredouille gebracht, so dass Fachleute schon frühzeitig erkennen konnten, dass der Profi in diesem Fall auf keinen Fall die Oberhand behalten wird können. Trotzdem, zur Verwunderung des Publikums, spielte Hort immer weiter. Auf die spätere Frage, warum er seinen jugendlichen Gegenüber nicht seine Niederlage nicht eher eingestanden habe, antwortete er mit einem verkappten Kompliment für Hans-Michael Stiepan: „Ich kann doch nicht zu lassen, dass er von seinem Brett aufsteht und den anderen gute Tipps gibt. Dann hätte ich vielleicht noch mehr Spiele verloren“. Dies hätte durchaus der Fall sein können: Neun Matches endeten Unentschieden.
Welche Emotionen sogar eine Nicht-Niederlage auslösen kann, wurde bei Andreas Parschan, Zweiter Vorsitzender des SV Jedesheim und Schach-Bundesliga-Schiedsrichter deutlich. Auch am Morgen danach war Parschan noch regelrecht aus dem Häuschen über sein Remis.
Glänzender Unterhalter
Dass Vlastimil Hort nicht nur äußerst gekonnt mit König, Dame oder Bauer umzugehen weiß, sondern auch ein glänzender Unterhalter ist, demonstrierte er zuvor. Fast eineinhalb Stunden lang gewährte der nicht nur wegen seines tschechischen Akzents an den „braven Soldaten Schweijk“ erinnernde Großmeister einen Blick hinter die Kulissen des Schach-Weltverbands „Fide“. Dabei machte er unmissverständlich klar, dass ihm die momentane Entwicklung ganz und gar nicht behagt. Ein Mann wie der langjährige Weltmeister Garri Kasparow sei heute mehr Informatiker als Schachspieler. Hort, der 1968 Profi wurde, erzählte auch, wie über Jahre hinweg wichtige Spiele gegen Landsleute zugunsten des sowjetischen Weltmeisters Anatoli Karpow regelrecht verschoben wurden. In den ganz ernst gemeinter Weise gestand Hort auch ein, dass zwischenmenschliche Beziehungen bei Schachspielern oft leiden. Bei seiner Hochzeit warnte er seine Ehefrau: „Zuerst kommt die Schwarze Dame, dann die Weiße Dame, dann Du.“
(Bericht der Illertisser Zeitung am Montag, den 06. September 1999)